Kuba: Meine Reisereflexion und Suche nach der Sinnhaftigkeit des Lebens
Wir alle kennen es. Arbeit, Arbeit, Arbeit. Lange Sehnsucht auf den anstehenden Urlaub. Wir fiebern ein halbes Jahr auf nichts anderes hin als diese zwei Wochen puren Glücks. Zwei Wochen, in denen wir endlich abschalten können und frei sind, das zu tun was wir wollen. Die letzten Wochen, zählen wir schon förmlich die Tage. Endlich Erleichterung, endlich Freiheit. Und wenn wir zurückkommen folgt eine knallharte Rückkehr in die Realität. Von mal zu mal wird es schwerer in unseren Arbeitsalltag zurückzukehren. Uns wieder zu motivieren, jeden Tag früh aufzustehen. Jeden Tag, uns völlig zu verausgaben, um voller Effizienz das zu leisten, was von uns erwartet wird. Keine Zeit für uns selbst, und unsere Wünsche zu haben, und erneut zurückzustecken.
Meine Reise nach Kuba, hat mich extrem zum Denken angeregt- insbesondere, wenn es um eine Sache geht: Was macht im Leben eigentlich Sinn?
Macht es Sinn, sich etwas Sinnvolles zu suchen?! Um mit Effizienz und Produktivität, sich der Erfüllung dieses einen Ziels zu widmen? Oder stattdessen, das Leben ruhig anzugehen und jeden Augenblick zu genießen, ohne zwangsläufiger Weise etwas zu erschaffen?
Urlaub, Strand und Gelassenheit: ein langersehnter meditationsartiger Zustand
Je länger ich hier bin und einfach nur am Strand lieg, umso antriebsloser fühle ich mich. Einfach nur sein. Den Wellen des türkisfarbigen Meeres am nahezu schneeweißen Karibikstrand genießen. Welle an Welle. Rauschen nach Rauschen. Jedes Rauschen führt einen mehr und mehr in das tiefere Selbst: in einen meditationsartigen Zustand. Ein Zustand, in dem Stress und der Zwang, etwas tun zu müssen, nahezu undenkbar erscheinen. Nichts muss als nächstes getan werden. Es gibt keine Sorgen. Keine Arbeit. Und trotz einer sehr begrenzten Auswahl an Nahrungsmitteln, die lediglich aus Pizza, Reis und Brot für Vegetarier besteht, also ein Overload an Gluten, absolut keine Verdauungsbeschwerden (*normalerweise esse ich kein Gluten und habe dennoch immer wieder Verdauungsbeschwerden- vermutlich ist es doch nicht das böse Gluten, sondern Stress???!!!). Obwohl alle Zeit der Welt da ist, habe ich keine Lust zu lesen, etwas zu schreiben oder mich zu bewegen. Und abgesehen davon, dass es hier nahezu unmöglich ist, Internet zu bekommen, habe ich auch absolut kein Bedürfnis, mein Handy in die Hand zu nehmen. Absolut nichts, was mich von diesem meditationsartigen Zustand entfernen könnte. Stattdessen konzentriere ich mich darauf, wie jeder Sonnenstrahl meine Haut erwärmt, währenddessen der robust pfeifende Wind die Wärme angenehm hält. In diesem Zustand fragt man sich dann doch, wozu die ganze Effektivität und Produktivität? Ist das nicht alles Ablenkung von unserem eigentlichen Sein? Warum muss es immer mehr sein? Machen es nicht vielleicht doch die Kubaner mit einem einfachen Leben richtiger?
Was macht denn nun Sinn und was nicht?
Das sozialistische System in Kuba: Kein Wasser, kein Internet?!
Kuba ist das beste Beispiel, um einen mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Es ist wie eine Reise in die DDR, nur mit Kokosnüssen, und mit viel Glück auch Bananen. Natürlich habe ich nicht das Recht so etwas zu behaupten, da ich selbst nicht in der DDR groß geworden bin. Trotzdem habe ich die Bedenken meiner Mutter, nach Kuba zu fahren, immer beschmunzelt. Ihre Bedenken, dass es hier kein Essen geben könnte, waren für mich mehr als weit hergeholt. Tatsächlich hatte sie doch damit mehr Recht, als mir lieb ist. Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass ich im Restaurant kein Wasser bestellen kann, weil es keins gibt. Dass es sogar im Geschäft kein Wasser gibt und man gar hoffen muss, dass es irgendwo noch ein paar letzte 0,5l Flaschen gibt. Genauso, dass wir nicht einmal ein Stück Obst zu kaufen bekommen würden und dass das Internet so blockiert ist, dass wir mit der gekauften kubanischen SIM, keine Unterkunft bei Airbnb buchen können. Wir sind im armen Osten von Kuba. Wir wollten eine nicht so touristische Reise machen. Aber ja, wenn man sich keins der Luxus Hotels bucht, in denen das alles vermutlich im Überfluss vorhanden ist, so erfährt man eine knallharte Realität. Eine Realität, die ich mir so nicht hätte vorstellen können. Aber eine Erfahrung, bei der wir durch unsere Übernachtungen in Privatzimmern der Einheimischen, eben auch einen Eindruck vom „wahren“ Kuba bekommen konnten. Eine Realität, die einen doch sehr zum Denken anregt.
Kubas Bevölkerung: Zwischen Verzweiflung und Unlust
Doch nicht nur, dass wir hier jeden Tag unsere Grundversorgung ersuchen müssen (und wir nach einer Woche Reis ohne Soße und Pizza erleichtert sein werden, wieder unsere nährstoffreiche Welt, voller vegetarischer Alternativen zurückzukehren), auch das System ist absolut paradox. Nichts wird hier im Land selbst produziert. Durch das sozialistische System ist die Entlohnung so gering, dass jegliche Arbeitsmotivation fehlt und keiner hat Lust sich für das gleiche Geld bei 30 Grad (im Winter!) auf dem Feld abzuschuften. Nicht verwunderlich, oder?! Durch die fehlende eigene Produktion bestehen die meisten „Nebengeschäfte“ aus dem Verkauf von Gekauftem, sodass die Preise immer weiter steigen. Und jeder hat ein Nebengeschäft: sei es, das Geld der Touristen zu tauschen oder überteuerte Taxi Touren -es gibt sie überall. Es wird immer abgezockter und verschärfter- keiner will „mehr“ tun als er muss. Jeder beschwert sich, doch keiner tut etwas. Ein absolut verzweifelter Kreislauf. Ein Warten auf die Rettung. Einer verlorenen Bevölkerung, in der keiner mehr kollaboriert (siehe auch prisoners dilemma). Aber warum sollte jemand Externes mit einer nicht-kollaborierenden Bevölkerung kollaborieren, in der niemand die harte Arbeit machen will?
Kubas Lösung: Gefängnis oder Flucht
Jeder will Veränderung: aber die Angst vor dem Gefängnis führt zu einer wahren Lähmung der Bevölkerung. Keine Möglichkeiten und kein Wunder, dass der Großteil der Bevölkerung aus Kuba flieht. Getrieben von dem Wunsch nach einem besseren Leben. So auch Jenny und Alvaro. Ein junges Paar, dass wir zufällig an einem abgelegenen Strand kennenlernten und das uns glücklicherweise mit zurück in die Innenstadt von Santiago nahm. Auf dem Weg erzählten uns die beiden, dass sie gerade angefangen hatten, zu studieren. Für sie stand jedoch eines fest: sobald sie damit fertig sind, werden sie nach Amerika gehen. Kein wenn oder aber. Getrieben vom Wunsch nach einem besseren Leben. Einer besseren Zukunft.
Doch was bedeutet das eigentlich???
Fliehen um effektiv und produktiv mehr Geld zu verdienen, um ein bis zweimal im Jahr in ein „langsames“ oder auch als „unterentwickelt“ bezeichnetes Land zu fliehen und die Sonne und das Meer zu genießen??
Ein besseres Leben: „The californian dream“
In einer unserer Unterkünfte trafen wir auf Mike und seine kubanische Frau. Sie leben in Kalifornien und kommen jedes Jahr in den Osten Kubas, um Urlaub zu machen und ihre Familie zu besuchen. Er berichtete davon, wie entspannt das Leben hier doch wäre. Das einzige Mal im Jahr, wo er so richtig abschalten könne. Ansonsten sei er durch seine Firma rund um die Uhr beschäftigt, ständig in Meetings und müsse dauerhaft erreichbar sein. Jedes Jahr sei es schwerer und schwerer in den stressigen Arbeitsalltag nach der Reise zurückzukehren. Er ist ein Paradebeispiel für die in der Einleitung beschriebene Situation. Eine Situation, die wir alle nur allzu gut kennen. Seine Vision und Lösung: seinen Ruhestand in Ruhe und Gelassenheit in Kuba zu verbringen. Er spekuliert darauf, dass sich Kubas System irgendwann ändert, denn er hat bereits in eine Wohnung und Farm (zum Preis von 25.000Euro) investiert. Durch den Umschwung würde alles enorm an Wert gewinnen. Aber selbst wenn nicht, er sieht das Potential nicht nur für einen potentiellen Umschwung auf Kuba. Am besten solle man alle gestressten Menschen hierhinbringen, um sich von ihrem Alltag zu entspannen – denn selbst wenn man will, das Internet ist meist so schlecht, dass man sich eine Auszeit nehmen muss. Und die Menschen könnten endlich lernen, wie gut ihnen Ruhe doch tut.
„Californian dream“: Nicht für jedermann!
Tatsächlich ist der „American Dream“ nichts für jedermann. Im Haus von Rafael berichtete uns seine Frau, dass sie für eine Weile in Wien bei ihrem Sohn gelebt hatte. Sie versuchte sich dort ein eigenes Leben aufzubauen. Um zu ihrem Job als Reinigungskraft zu gelangen, musste sie jedoch eine Stunde mit der Bahn fahren, was sie bereits drei Euro kostete. Hin und zurück blieben also von ihrem Stundenlohn, gerade einmal fünf Euro übrig. Nur mit sehr viel harter Arbeit sei es möglich die Mietwohnung zu finanzieren. Die Aussicht auf bessere Jobs- begrenzt. Denn durch die fehlende Muttersprache sind die Möglichkeiten äußerst rar. Dann doch lieber zurück nach Kuba- mit einem eigenen Heim für die ganze Familie. Und einer Grundversorgung. Ganz ohne tägliches Abrackern.
Zwei Welten
Das ist alles wie zwei Welten. Genauso wie die Welt, der Touristen im Hotel, die alles im Überschuss haben, währenddessen man 300 Meter entfernt, weiter hoffen muss, ein Brot und Wasser zu kaufen, zu finden?
Genau deshalb, stelle ich mir wirklich die Frage- welches Leben macht nun letztlich Sinn? In was belügen wir uns selbst? Was tun wir aufgrund unsere Kultur und eines Systems, mit dem wir aufgewachsen sind? Und was tun wir wirklich aus freiem Wille, aufgrund unserer ganz eigenen Bedürfnisse?
Final solution: ein Leben mit Sinnhaftigkeit und Gelassenheit??!!
Vermutlich die Balance. Arbeit mit Sinnhaftigkeit. Aber ohne Stress. Fortschritt ohne Zwang. Ohne Druck. Arbeit mit Freude und Gelassenheit. Jeden Tag ein bisschen Arbeit, ein bisschen Urlaub.
Doch wie soll man das in solchen Systemen erreichen? So ist in Deutschland das System völlig auf Effizienz gerichtet- Kapitalismus. In Kuba auf Gleichheit - Sozialismus.
Es scheint jedoch keins zu 100% zu funktionieren.
Hungern die Menschen in einem Land, und inhalieren täglich Abgase bis zum geht nicht mehr. So überessen sich die Menschen im anderen Land, und haben Stress-induzierte gesundheitliche Probleme.
Vielleicht ist das der Beginn, sich von gesellschaftlichen Zwängen zu lösen, die uns unser System vorlebt und uns eine eigene Lösung zu schaffen. Ein Leben mit Sinnhaftigkeit und Gelassenheit. Fortschritt. Schritt-für-Schritt. Der Fokus auf sich selbst, und nicht auf Effizienz.
Hinterlass gern deine Meinung in einem Kommentar. Was macht für dich Sinn? Wie sieht deine Lösung aus? :)
PS: Falls du dir jetzt Sorgen, um deinen bevorstehenden Kuba Urlaub machen solltest, bleib ganz ruhig! Wenn du in den Westen oder mit einer gebuchten Tour vor Ort bist, wird das meiste spurlos an dir vorbei gehen! Solltest du jedoch ein wahrer Abenteurer/in sein (und Spanisch sprechen), so bietet der Osten eine wahrlich inspirierende Erfahrung. Ich plane auch noch ein paar Reiseerfahrungen und -tipps zum Osten Kubas niederzuschreiben. Wenn das für dich interessant ist, schreib mir unbedingt- dann steigt sicherlich meine Motivation zum Schreiben sicherlich noch mehr 😊